KSG Andernach


Jörg Pöttgen: Astronomie am KSG



In den Lehrplänen von Rheinland-Pfalz, aber ähnlich auch in denen der anderen alten Bundesländer fristet die Astronomie ein Nischendasein. Anders als (zumindest derzeit noch) in den neuen Bundesländern, wo die Astronomie neben Physik, Chemie und Biologie als weitere eigenständige Naturwissenschaft mit eigener Lehrerausbildung unterrichtet wird, hält man hierzulande dieses Gebiet bestenfalls für ein Anhängsel der Physik. So obliegt es dann auch den Physiklehrern, je nach Möglichkeit den einen oder anderen astronomischen Inhalt in seinen Unterricht einzubauen.
Jörg Pöttgen
OStR Jörg Pöttgen bei der Beobachtung des Merkurdurchgangs (7. Mai 2003).
Foto: Peter Heinsch



Es darf also nicht verwundern, daß umfassendes astronomisches Unwissen durchaus als normal empfunden wird; auch in den sogenannten Bildungsstudien (von TIMSS über MARKUS und PISA und was demnächst noch kommen mag) wurde nicht einmal ansatzweise auf Kenntnisse in diesem Gebiet abgehoben.

Hinzu kommt, daß ein nach wie vor ungebremstes Streben, durch immer intensivere Beleuchtung vor allem in den Städten (aber nicht nur dort) die Nacht zum Tage zu machen, den Blick zum Sternenhimmel nur noch sehr eingeschränkt zuläßt bzw. weitgehend unmöglich macht.

Niemand beklagt das, außer gelegentlich den Astronomen, aber die finden kein Gehör. Es scheint einen stillschweigenden gesellschaftlichen Konsens zu geben, daß die "obere Hälfte" unserer Erfahrungswelt nichts Bemerkenswertes bietet und schon gar nicht geschützt werden muß. Eine nachdenklich stimmende Entwicklung seit den Zeiten eines Sallust, bei dem der Mensch vor allem deshalb von den Göttern mit der Gnade des aufrechten Ganges bedacht worden ist, damit er nach oben zu den Sternen schauen kann - eben anders als die Vierbeiner, die nur mit zur Erde gerichteten Sinnen ihr tägliches Überleben zu sichern trachten.

Dabei gibt es gute Gründe, mit den Sternen vertrauter zu sein. Wenn wir Menschen zum Beispiel unsere Erde (wenn es denn unsere ist) wirklich besitzen und nicht nur ruinös ausbeuten wollen, dann steht es eigentlich jedem gut an, zumindest etwas darüber zu wissen, wie wir sie uns bisher zugänglich gemacht haben. Es ist sicherlich auch ein Stück Bildung, eine Vorstellung davon zu haben, mit welchen Schwierigkeiten die alten "Geometer" zu kämpfen hatten, um auf der anderen, der neuen Seite der Erdkugel fest zustellen, wo die Verlängerung des Londoner Meridians verlief. Es verwundert nicht, daß neben vielen technischen Details astronomische Kenntnisse der Schlüssel waren. Die Festlegung, was denn genau die von uns heute noch benutzte Längeneinheit 1 m sein sollte, wurde während des letzten Jahrzehnts des 18. Jahrhunderts von Astronomen ausgeführt. Wie das im einzelnen geschah - auch das ist ein fesselndes Kapitel der Astronomiegeschichte.

Es gibt also mehr in der Astronomie, als nur anläßlich einer Gartenparty bei klarem Himmel mit der Kenntnis einiger Sternbilder zu glänzen, und das wurde an unserer Schule in der Vergangenheit auch so gesehen. Immer gab es Bemühungen, diesem Schwinden astronomischen Grundwissens entgegenzuwirken bzw. an bestehende Traditionen anzuknüpfen; ja, es gibt auch eine Tradition des Astronomieunterrichts an unserer Schule. Als ich im Jahre 1977 meinen Dienst am KSG antrat, wurde der den älteren unter Ihnen noch als "Bambino" bekannte Studiendirektor Heribert Klein in den Ruhestand verabschiedet. Eine seiner Sorgen war, daß es für seine Astronomie möglicherweise keine Nachfolge geben könnte.

So ist es denn nun nicht gekommen. Über all die Jahre wurde immer wieder Astronomie betrieben, jedenfalls nach Möglichkeit. Die Möglichkeiten waren, das muß zugegeben werden, meist vom Zufall mitbestimmt, z. B. dadurch, ob ein Schüler oder Lehrer über eine entsprechende Ausrüstung verfügte, denn die Schule besitzt keinerlei astronomisches Gerät.
Jörg Pöttgen
Der Merkurdurchgang vom 7. Mai 2003. Der Planet ist auf der unteren Bildhälfte vor der Sonne zu erkennen.


Dennoch gelangen wiederholt "Sternwanderungen" an Beobachtungsplätzen in der Eifel, wo, um nur einen Anlaß zu nennen, Lehrer, Schüler und Eltern im November nächtens bis in die Morgenstunden ausharrten, in der Hoffnung, einige Meteore des sog. Leonidenstromes zu beobachten.

Einen beachtlichen Auftrieb erhielt die Astronomie allerdings im Jahre 1999, als wir in Deutschland - auch von Rheinland-Pfalz aus - eine totale Sonnenfinsternis beobachten konnten. Sogar in den Medien wurde das Ereignis einige Tage besonders beachtet. Im europäischen Ausland, insbesondere in Frankreich, bereitete man die Öffentlichkeit und die Schulen bis hinunter zu den Eingangsklassen intensiv auf die Teilnahme an diesem seltenen Ereignis vor - nicht so in Deutschland. In Nordrhein-Westfalen gelang es der Kultusbürokratie gerade einmal, den Schülern für die Zeit der Verfinsterung per Erlaß den Aufenthalt auf dem Schulhof zu untersagen. Der Grund war, daß einige Tage zuvor in den Medien eine überzogene Diskussion über mögliche Augenschäden bei ungeschützter Beobachtung der sich verfinsternden Sonne geführt worden war und die völlig überraschten Schulbehörden sich nicht anders zu helfen wußten. Und in Rheinland-Pfalz? In Rheinland-Pfalz waren am 11. August noch Schulferien, ein ausreichendes Argument für weitgehendes Ignorieren!? Am KSG war das anders. Während des ganzen laufenden Schuljahres gingen verschiedene Fächer im Unterricht auf das bevorstehende Ereignis ein. Daneben gab es Abendveranstaltungen für Schüler und Eltern, an denen in Form von Fachvorträgen und Berichten über Expeditionen zu voraufgegangenen Finsternissen umfassend auf die Finsternis vorbereitet wurde. Neben Informationen über den Verlauf der Totalitätszone und die entsprechenden Verfinsterungszeiten gab es Hinweise zur Fotografie, Anregungen zu weitergehenden Beobachtungen und Messungen. Darüber hinaus sorgte die SV durch den Verkauf von Sonnenbeobachtungsfiltern dafür, daß das Augenlicht der Beobachter nicht gefährdet wurde. Seither findet an unserer Schule Astronomie im Rahmen der AG-Stunden statt. Wir verfügen über eine, verglichen mit dem, was bei Amateuren heute so üblich ist, bescheidene, aber ansehnliche Ausrüstung (Privatbestände) und konnten im vergangenen Jahr beim "Merkurtransit" am 7. Mai 2003 durch einen "lnternetauftritt" mit unserer Astrokamera auch über unsere Schule hinaus Aufmerksamkeit für astronomische Themen (und für das KSG) erzeugen. In diesem Jahr steht nun ein weiteres, sehr seltenes Himmelsereignis bevor. Am 8. Juni 2004 macht es die Venus dem Merkur nach und zieht in den Vormittagsstunden von uns aus gesehen vor der Sonne her. Dabei wird sie, anders als der Merkur auch mit bloßem Auge zu sehen sein, aber bitte Vorsicht: Es darf ausdrücklich und in jedem Falle nur mit ausreichendem Augenschutz beobachtet werden, eine Sonnenbrille genügt bei weitem nicht! Diese Konstellation bietet sich so selten, daß kein heute lebender Mensch einen Venustransit beobachtet hat. Es ist durchaus etwas Besonderes, daß wir heute Lebenden in kurzer Folge alle drei größeren Mitglieder des Sonnensystems (Venus, Merkur, Mond), die sich überhaupt zwischen Erde und Sonne befinden können, dort auch zu sehen bekommen. Besonders die letzten Venusdurchgänge (1761, 1769, 1874, 1882) fanden weltweit intensive Beachtung. Man hoffte, aus genauen Beobachtungen der Durchgangszeiten von weit auseinanderliegenden Plätzen der Erde aus, Aufschluß über die Entfernung zwischen Erde und Sonne, die sogenannte Astronomische Einheit ( AE ) zu gewinnen. Der technische Fortschritt des vorigen Jahrhunderts hat dieses Problem längst befriedigend gelöst. Dennoch sind auch dieses Mal europaweite Aktivitäten geplant, die damaligen Beobachtungen mit heutigen Amateurmitteln (wozu auch das Internet und Digitalkameras gehören) nachzuvollziehen, und die AE (zumindest angenähert) noch einmal zu bestimmen.

Auch Arbeitsgemeinschaften unserer Schule, Astronomie, Informatik etc. nehmen an diesen Beobachtungen teil, und wir wollen wieder, bestärkt durch unsere Erfahrungen bei der Sonnenfinsternis neben der Arbeit in den Arbeitsgemeinschaften im Rahmen anderer Schulveranstaltungen das Ereignis allen Schülern und Eltern nahebringen. Dazu brauchen wir allerdings auch etwas Glück mit dem Wetter. Drücken Sie uns also gelegentlich die Daumen.