KSG Andernach


Astronomie am KSG - der Venustransit



Wie in den letzten Salentiner-Nachrichten angekündigt, drehten sich die astronomischen Aktivitäten im Jahre 2004 um den Venustransit am 8. Juni. Um es vorweg zu sagen, meiner letztjährigen Bitte um gute Wünsche hinsichtlich des Wetters sind die Salentiner offensichtlich zahlreich und wohlwollend nachgekommen, der 8. Juni war einer der schönsten Sonnentage des ganzen Jahres und bot auch für unser Vorhaben beste Bedingungen.
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Das Foto oben links zeigt den Stand des Venustransits um 10:15:06 Uhr und 10:16:44 Uhr in Ander-nach und läßt die Venus am unteren Teil der Sonne erkennen. Das Foto oben rechts wurde zu denselben Uhrzeiten in Johannesburg aufgenommen und per Internet zum KSG geschickt. Da Johannesburg auf der südlichen Erdhalbkugel liegt, erscheint die Venus auf dem oberen Teil der Sonne. Für die dritte Aufnahme hat man beide Fotos ineinander geschoben, wobei das Johannesburger Foto um 180 Grad gedreht wurde, so daß die nördliche und die südliche Himmelsrichtung der beiden Fotos wieder in dieselbe Richtung weisen (Norden nach oben, Süden nach unten). Die unterschiedlichen Beobachtungsstandpunkte haben jedoch zur Folge, daß der Standort der Venus sich in der Fotomontage nicht zur Deckung bringen läßt. Daher erscheint die Venus auf der Fotomontage als unscharfer Punkt (innerhalb des Kästchens). Die kleine Strecke, die den Unterschied ausmacht, diente als Ausgangspunkt für die Berechnung der Astronomischen Einheit, d. h. der Entfernung der Erde von der Sonne.


Nachdem auch die interessierte öffentlichkeit auf einer abendfüllenden Veranstaltung über das bevorstehende Ereignis informiert worden war, stand, umfassend vorbereitet, seit dem Vorabend die Astro-AG oberhalb der Antel am Rande des Anwesens Stähle mit allen zur Verfügung stehenden Gerätschaften bereit.

Geplant war durchaus Bedeutendes. Neben den Messungen zur Bestimmung der "Astronomischen Einheit" (die Entfernung Erde - Sonne ) sollte der gesamte Transit mit einer kleinen elektronischen Kamera - man nennt so etwas heute Webcam - die an ein Fernrohr montiert war, verfolgt und zeitgleich im Internet gezeigt werden.

Obwohl die heutige Technik für derartige Unternehmungen mehr oder weniger ausgereifte Lösungen bereithält, ist es doch nicht selbstverständlich, daß dann auch alles wie geplant verläuft. Zunächst muß man die Fernrohrbilder in einen Rechner bekommen. Das war mit den tragbaren Schulrechnern, gestützt auf die Erfahrungen beim Merkurtransit im Vorjahr, kein großes Problem. Etwas aufwendiger war es da schon, die Rechner mit dem Netz zu verbinden. Nicht zuletzt deswegen war die Wahl des Beobachtungsstandortes auf die erwähnte Lokalität in der Antel gefallen. Voruntersuchungen hatten ergeben, daß an diesem Tag von dort während des ganzen Transits weder ein Gebäude noch Bäume etc. die Sicht auf die Sonne behindern würden; und ein Zugang zum Netz wurde durch den Telephonanschluß im Hause Stähle möglich. Allerdings lag der immer noch einige 20 bis 30 Meter Luftlinie von den Fernrohren entfernt; umgekehrt mußte die Versorgung der Rechner und der astronomischen Geräte mit elektrischer Energie über dieselbe Entfernung erfolgen. Letzteres war leicht zu bewerkstelligen, ersteres erforderte etwas kabeltechnischen Aufwand und die eine oder andere handwerkliche Idee.
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Daß dies alles vorzüglich funktioniert hat, lag nicht zuletzt an der sorgsamen Vorbereitung des Herrn Reis und am unermüdlichen Einsatz von Herrn Stähle, der auch trotz eines sich gerade während der abendlichen Vorbereitungen ereignenden Fahrradunfalls seines Sohnes (wie sich herausstellte ganz und gar kein "Bagatellschaden") unser Vorhaben tatkräftig unterstützte.

Die Verbreitung der Bilder im Internet und in der Schule wurde von Schülern der Informatik-AG betreut - auch hier verlief alles ausgezeichnet. Im Physiksaal übernahm dann Herr Czernik, der auch am Einführungsabend einen bemerkenswerten wissenschaftshistorischen Vortrag zur Frage der Kenntnis der "Sonnenparallaxe" gehalten hatte, die Erklärung der Bilder.
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Der Venustransit zu verschiedenen Uhrzeiten (von 8:07:23 bis 12:15:06)


Die Messungen selbst umfaßten zwei Vorhaben. Zum einen wurden die vier sogenannten Kontaktzeiten mit mehreren Funkuhren registriert. - Unter den Kontakten versteht man die "Berührungen" von Venus- und Sonnenrand von innen und außen beim Ein- bzw. Austritt. Dazu beobachtete ein AG-Mitglied die Sonne durch ein gesondertes Fernrohr direkt und rief die Kontaktzeiten aus; mit mehreren Uhren nahmen die übrigen Schüler die entsprechenden Zeiten. Diese wurden noch am gleichen Tag zusammen mit unseren Standortkoordinaten an das "Institut de Méchanique Céleste et de Calcul des Éphémérides" in Paris übermittelt. Aus den dort von den weltweit verteilten Beobachtungsorten eingehenden Daten sollte noch einmal - wie 1716 von Halley vorgeschlagen - die Astronomische Einheit ermittelt werden. Gleichzeitig, da alle diese Daten inzwischen ja hinreichend bekannt sind, gab es eine Rückmeldung über die Qualität der eigenen Meßwerte. Unsre Meßgenauigkeit, so stellte sich heraus (natürlich war auch etwas Glück im Spiel), war beachtlich.

Zum zweiten wurden mit einem dritten Fernrohr, an dem eine digitale Spiegelreflexkamera montiert war, im Abstand von 15 Minuten Bilder der Sonne mit der Venusscheibe davor aufgenommen. Diese Bilder, so hatten wir es mit der "Deutschen Schule Johannesburg/Südafrika" verabredet, wurden mit dort zeitgleich aufgenommenen verglichen, um aus der unterschiedlichen Position der Venus vor der Sonnenscheibe infolge des unterschiedlichen Blickwinkels (Andernach vs. Johannesburg) den Abstand Erde-Venus und daraus mittels allgemeiner Gesetze der Himmelsmechanik (Kepler) den Abstand Erde - Sonne zu ermitteln. Uns sind die entsprechenden Aufnahmen gut gelungen, auch deshalb, weil wir mit hochwertigem Gerät arbeiten konnten. Herr Heinsch hatte uns seine "Canon Eos 300D" zur Verfügung gestellt, ein Gerät für die semiprofessionelle Amateurfotographie; und um auch gar nichts dem Zufall zu überlassen, hatte Herr Weber die gleiche Kamera zur Reserve von einem Bekannten ausgeliehen.

Die Bilder aus Südafrika erreichten uns alsbald via Internet, und unsere wurden nach Johannesburg geschickt. Obwohl mit weniger hochgerüsteter Technik aufgenommen, hatten die Bilder aus Südafrika, nachdem Herr Reis sie elektronisch etwas überarbeitet hatte, eine für unsere Zwecke ausreichende Qualität.

Die anschließenden Rechnungen waren langwierig, da zum Beispiel diverse Parameter, die von Beobachtungsort und Zeitpunkt bestimmt werden, zunächst aus den Datenbanken des Internet oder aus der einschlägigen Literatur zusammengesucht werden mußten.

Am "Tag der Naturwissenschaften" konnten wir dann unser Ergebnis präsentieren: Nach Andernacher Rechnung ist die Erde 149.138.117,5 km von der Sonne entfernt.
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Das Basislager der Astro-AG in der oberen Antel


Ein grober Überblick über die letztlich rechnergestützte Auswertung ist auf der Internetseite des KSG zu sehen. Die Astro-AG ist mit allen anderen, die viel Zeit und Wissen in dieses Unternehmen investiert haben, durchaus stolz auf ihr Ergebnis - auch weil es hier und da im Anspruch und in der Qualität deutlich über das hinausgeht, was andernorts mit viel Marktgeschrei dargeboten oder auch nur angekündigt wurde.

Indessen findet leider im Schuljahr 2004/05 keine Astronomie als Arbeitsgemeinschaft statt, da sich für alle astronomiekundigen Lehrer anderweitig ausreichend Beschäftigung gefunden hat. Die betreuenden Lehrer arbeiten dennoch bereits an den Sonnenfinsternissen vom 3. Oktober 2005 und 29. März 2006, die leider von uns aus nur teilweise zu beobachten sein werden.

Der nächste Venustransit ist am 6. Juni 2012. Von hier aus sieht man davon aber nach Sonnenaufgang nur etwa die letzte Stunde; man reist dazu besser nach Australien.


Für die Astro-AG
Jörg Pöttgen